Forscher des Universitätsklinikums Essen haben im Rahmen der Heinz Nixdorf Recall Studie, die vor zehn Jahren initiiert und im Jahr 2000 gestartet wurde, herausgefunden, dass die Bestimmung der Verkalkung der Herzkranzgefäße mit einem Elektronenstrahltomographen genaueren Aufschluss darüber geben kann, wie hoch das Risiko für eine lebensgefährliche Herzerkrankung ist. Mehr als 4800 nach einem Zufallsprinzip ausgewählte Studienteilnehmer aus dem Ruhrgebiet wurden dafür im Verlauf der letzten neun Jahre in regelmäßigen Abständen medizinisch untersucht. Die aktuellen Forschungsergebnisse werden in diesen Tagen international vorgestellt.
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Herz-Kreislauferkrankungen sind nach wie vor die häufigste Todesursache in der westlichen Welt – vor allem deshalb, weil es im Vorfeld kaum Warnzeichen gibt und der Infarkt oft erst entdeckt wird, wenn es schon zu spät ist. Um herauszufinden, ob ein Patient ein erhöhtes Herzinfarkt-Risiko hat, orientieren sich die meisten Ärzte daher an den klassischen Risikofaktoren nach den Framingham-Kriterien, zu denen Cholesterinwerte, Blutdruck, familiäre Vorbelastung, Alter, Geschlecht und Diabetes-Erkrankungen gehören.
Forscher des Universitätsklinikums Essen haben jetzt im Rahmen der Heinz Nixdorf Recall Studie, die vor zehn Jahren initiiert und im Jahr 2000 gestartet wurde, herausgefunden, dass die Bestimmung der Verkalkung der Herzkranzgefäße genaueren Aufschluss darüber geben kann, wie hoch das Risiko für eine lebensgefährliche Herzerkrankung ist. Dafür untersuchten sie 4814 Studienteilnehmer mit einem Elektronenstrahltomographen (EBCT). Mit diesem bildgebenden Gerät können Verkalkungen der Gefäßwand mit hoher Genauigkeit erkannt und gemessen werden (Agatston-Skala). Bilder des Herzens werden mit dem EBCT durch kurze Aufnahmezeiten (100 ms) und ohne Bewegungsartefakte aufgenommen. Der Vorteil der Tomographie ist, dass der Nachweis der koronaren Verkalkung nicht-invasiv, also ohne körperlichen Eingriff, erfolgt.
„Nach den Framingham-Kriterien der Vorsorgeuntersuchung für Herzinfarkte werden die Patienten in drei Risikogruppen unterteilt: niedrig, mittel und hochgradig gefährdet. Wir haben im Rahmen der Heinz Nixdorf Recall Studie jedoch festgestellt, dass Probanden mit hoher Kalkbelastung in den Koronararterien, die nach den Framingham- Kriterien ein vermeintlich mittleres Risiko hatten, fast genau so häufig einen Herzinfarkt erlitten wie die Studienteilnehmer, die der hohen Risikogruppe zugeordnet waren. Wenn also zusätzlich zu den Risikofaktoren die Verkalkung der Herzkranzgefäße mittels Elektronenstrahltomographie gemessen wurde, konnte die Einstufung in eine Risikogruppe sehr viel schärfer und genauer erfolgen“, erklärt Professor Raimund Erbel, Direktor des Westdeutschen Herzzentrums am Universitätsklinikum Essen, der die aktuellen Ergebnisse in diesen Tagen am American College of Cardiology (ACC) der internationalen Fachwelt vorgestellt hat.
Langzeitstudienergebnisse
Für die Studie wurde die Schwere der Verkalkung bei den Probanden festgestellt und dann beobachtet, wie viele Infarkte und plötzliche Herztode in einem Zeitraum von fünf Jahren auftraten. Dabei zeigte sich schnell, dass von den Studienteilnehmern jene mit einem Kalkwert über 400
Einheiten (was sehr stark verkalkte Arterien bedeutet) in etwa 8 Prozent aller Fälle einen Herzinfarkt erlitten, jene mit unter 100 Einheiten auf der Agatston-Skala jedoch nur in etwa einem Prozent aller Fälle.
„Diese zusätzliche Untersuchung der Koronarverkalkung kommt vor allem Patienten in der mittleren Risikogruppe zu Gute, denn ein hoher Verkalkungsgrad kann anzeigen, dass ein akutes Ereignis droht. Die Personen mit einer starken Verkalkung müssen wir mit entsprechenden Medikamenten versorgen, während wir jenen Menschen mit einem niedrigen Verkalkungsgrad eine Änderung ihres Lebensstils ans Herz legen“, so Prof. Raimund Erbel, der sicher ist, dass eine Ausweitung der Vorsorgeuntersuchung mit dem EBCT künftig sehr vielen Menschen das Leben retten kann: „Die nicht-invasive direkte Darstellung der Koronargefäßverkalkung mittels CT eröffnet neue Möglichkeiten der Diagnostik und Früherkennung. Damit könnte sich endlich die Forderung erfüllen, die der amerikanische Herzspezialist F. Mason Sones schon vor über 20 Jahren erhoben hat, als er sagte: Ein Drittel der Patienten stirbt an Komplikationen der koronaren Herzerkrankung, bevor wir überhaupt wissen, dass diese Menschen krank und somit gefährdet sind. Das wichtigste Problem, vor dem wir stehen, ist die Identifizierung dieser Menschen.“
Die Kalkindikatoren in den Herzkranzgefäßen lassen sich übrigens sehr viel früher nachweisen als andere Symptome, die auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko hindeuten.
Auswahl der Studienteilnehmer
Für die Heinz Nixdorf Recall Studie wurden ursprünglich 4814 Männer und Frauen im Alter zwischen 45 und 75 Jahren nach einem Zufallsverfahren aus den Registern der Einwohnermeldeämter in den Ruhrgebietsstädten Essen, Mülheim und Bochum ausgewählt. Seit fast zehn Jahren werden sie regelmäßig medizinisch untersucht, um Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Krankheiten zu erforschen. „Der große Vorteil einer solchen bevölkerungsbasierten Studie ist, dass nicht nur bereits erkrankte Personen daran teilnehmen, wie das sonst in medizinischen Studien üblich ist, sondern ein breiter Querschnitt der Bevölkerung“, erklärt Professor Dr. Karl-Heinz Jöckel, Direktor für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie am Universitätsklinikum Essen, der mit seinem Team die Daten für die Heinz Nixdorf Recall Studie zusammenträgt und auswertet. „Im Verlauf der Studie zeigt sich dann, wer wann und wo erkrankt und welche Anzeichen für einen Herzinfarkt es außer den bekannten Risikofaktoren gibt.“
Die Ergebnisse der Heinz Nixdorf Recall Studie haben inzwischen weltweit Beachtung gefunden. Es ist die erste bevölkerungsbasierte Studie dieser Art in Europa. Sie wird finanziell unterstützt von der Heinz Nixdorf Stiftung in Essen.
Nähere Informationen zu den aktuellen Ergebnissen der Heinz Nixdorf Recall Studie erhalten Sie bei Prof. Dr. Raimund Erbel unter Tel.
0201/723-4800, E-Mail: raimund.erbel(at)uk-essen.de und bei Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel unter Tel. 0201/723-4513, E-Mail: k-h.joeckel(at)uk-essen.de