• Home
  • Darmkrebsprävention aus der Chicoreewurzel

Darmkrebsprävention aus der Chicoreewurzel

Friedrich-Schiller-Universität Jena, Stefanie Hahn, 08.06.2005 10:32

Ernährungswissenschaftler der Universität Jena erforschen Wirkung des Ballaststoffs Inulin

Jena (08.06.05) Inulin, ein Ballaststoff, der in Knoblauch, Zwiebeln,
Artischocken, Spargel und nicht zuletzt in Chicoree vorkommt, senkt
das Risiko an Dickdarmkrebs zu erkranken. In Kombination mit zwei im
Darm vorkommenden Bakterienstämmen wird der prebiotische Wirkstoff
sogar gleich doppelt aktiv. Denn er fördert nicht nur das Wachstum der
„guten“ Bakterien, sondern seine Abbauprodukte kurbeln auch die Krebs-
Abwehrreaktion der Darmzellen an. Eine europäische Forscherallianz,
der auch Ernährungstoxikologen der Universität Jena angehören, konnte
in mehreren Studien belegen, dass das „Trio intestinale“ der
Entstehung von Tumoren im Dickdarm im frühen Stadium entgegenwirkt.
„Im Rahmen des von der Europäischen Union (EU) geförderten SYNCAN
Projektes haben wir sowohl an Krebszelllinien und in Tierversuchen als
auch in ersten Humanstudien die positiven Effekte des Inulins
nachgewiesen“, berichtet Prof. Dr. Beatrice Pool-Zobel. Gerade ist im
„British Journal of Nutrition“ ein Übersichtsbeitrag der
Ernährungswissenschaftlerin der Friedrich-Schiller-Universität
erschienen.

Die Jenaer Arbeitsgruppe beschäftigt sich seit Jahren intensiv damit,
welchen Inhaltsstoffen Lebensmittel wie Obst und Gemüse ihre
krebsvorbeugende Wirkung verdanken. Ballaststoffe wie Inulin, das
bereits jetzt schon vielen Joghurtprodukten als Verdickungsmittel
zugesetzt wird, sind dabei in den Focus gerückt. „Wir sprechen hier
über eine sehr frühe Möglichkeit, das Erkrankungsrisiko zu senken, die
jeder von uns durch die Art seiner Ernährung selbst in der Hand hat“,
sagt Prof. Pool-Zobel. Bis auf die Fälle, in denen eine genetische
Veranlagung für die Krebsart vorliegt, nimmt das Risiko an
Dickdarmkrebs zu erkranken mit steigendem Alter zu. Denn unsere
Darmzellen können sich zunehmend schlechter gegen die Angriffe von
krebserregenden Stoffen wehren. Die so genannten Kanzerogene tauchen
im Dickdarm vermehrt auf, denn schliesslich sammelt sich hier all der
Unrat, für den unser Körper keine Verwendung hat.

Benzo(a)pyren und heterozyklische Amine, die entstehen, wenn Fleisch
zu stark erhitzt wird, sind nur einige der toxischen Stoffe, mit denen
unsere Darmzellen fertig werden müssen. Dazu produzieren sie bestimmte
Enzyme, die die Toxine entschärfen. Verbündete in ihrem Kampf haben
sie in den Darmbakterien und auch im Inulin. Diese
Mehrfachzuckerverbindung kann unser Körper nicht verwerten, weil uns
bestimmte Enzyme fehlen, daher der Name Ballaststoff. Inulin gelangt
also unverdaut in den Dickdarm. Hier findet es in den Bakterien
geneigte Abnehmer. Besonders die Bifido- und Lactobazillusstämme
„knabbern“ das Inulin gerne an und vermehren sich prompt. Sie
produzieren mehr Milchsäure, der ph-Wert im Darm sinkt und andere
unerwünschte Bakterien werden verdrängt. Insgesamt führt dies zu
verbessertem Stuhlgang. „Generell werden also giftige Substanzen
besser ausgeschieden. Zu diesem ohnehin positiven Effekt gesellt sich
aber ein weiterer“, sagt Prof. Pool-Zobel.

Sie konnte nachweisen, dass beim Inulinabbau Stoffe entstehen, die die
Antwort der Darmzellen auf den oxidativen Stress anfeuern. So können
sie Kanzerogene, die wir z. B. in Form von verbrannter Bratwurst zu
uns nehmen, schneller entschärfen. „Durch die Inulin-Abbauprodukte
werden bestimmte Gengruppen aktiviert, u. a. solche, die für die
Entgiftung verantwortlich sind“, sagt die Jenaer Wissenschaftlerin mit
Blick auf ihre aktuellen Ergebnisse. „Ein weiterer möglicher
Mechanismus ist, dass stark geschädigte Zellen, die sonst zu
Tumorzellen entarten, gezielt in den Selbstmord (Apoptose) getrieben
werden. Ausserdem könnten entartete Zellen (Krebsvorstufen) am weiteren
Wachstum gehindert werden“, erklärt sie. Dabei wirken nicht alle Arten
von Inulin gleich stark. Laut der aktuellen Ergebnisse hat sich die
Kombination aus einem prebiotischen Inulin aus der Chicoreewurzel,
bestehend aus einer kurzen und einer langen Fruktosekette und zwei
probiotischen Milchsäurebakterienstämmen als besonders schlagkräftig
erwiesen.

Noch weiss man nicht genau, wie die Abbauprodukte der Ballaststoffe in
das genetische Programm der Zellen eingreifen. Nutrigenomics ist das
Schlagwort für diese Forschung. Zukünftig sollen die Untersuchungen
auf Protein- und DNA/RNA-Ebene fortgesetzt werden. Die Nachricht für
die Verbraucher ist hingegen einfach: Ballaststoffe wie Inulin in
Kombination mit Milchprodukten, die probiotische Bakterien enthalten,
sind gut für Verdauung und Entgiftung im Dickdarm.

Originalartikel: Beatrice L. Pool-Zobel: „Inulin-type fructans and
reduction in colon cancer risk: review of experimental and human
data.“ British Journal of Nutrition (2005), 93, Supl. 1, S. 73-90.

Beatrice L. Pool-Zobel, Veeriah Selvaraju, Julia Sauer et al.:
„Butyrate may enhance toxicological defence in primary, adenoma and
tumor human colon cells by favourably modulating expression of
glutathione S-transferases genes, an approach in nutrigenomics.“
Carcinogenesis (2005), Vol.26/6, S. 1064-76.

Weitere Infos finden Sie hier …

Leave A Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.