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Berliner Fleischmarkt: Neuer Krankheitskeim in „frischem“ Fleisch gefunden

Erbrechen, Durchfall, Magenkraempfe und Fieber sind die typischen Anzeichen einer Salmonellen-Erkrankung. Die Salmonellen-Enteritis ist die am haeufigsten bekannte Lebensmittelvergiftung, die durch infizierte Nahrungsmittel ausgeloest wird. Die Ursachen dafuer sind meist mangelnde Hygiene bei der Zubereitung oder Verarbeitung, sowie eine unsachgemaesse Lagerung leicht verderblicher Nahrungsmittel, wie zum Beispiel Eier, rohes Fleisch oder Mayonnaise. Wenn auch die Bevoelkerung meistens von „Salmonellen“ spricht, ergibt die Statistik, dass es inzwischen Bakterien gibt, die weitaus verbreiteter sind und dieselben Symptome hervorrufen. Campylobacter etwa hat als Erreger von bakteriell bedingten Durchfallerkrankungen beim Menschen die Salmonellen ueberrundet. Ihm aehnlich ist der Keim Arcobacter. Ueber dessen Bedeutung ist bislang wenig bekannt gewesen. Fachleute fuer Lebensmittelhygiene der Freien Universitaet Berlin haben sich jetzt auf die Spur der „neuen“ Bakterien begeben und Alamierendes herausgefunden: Bei 37 Prozent der getesteten frischen Haehnchenkeulen und bei vier Prozent des Rindehackfleischs auf dem Berliner Markt wurden Arcobacter-Keime nachgewiesen.Eine wesentliche Aufgabe des Verbraucherschutzes ist es, die Bedeutung von „emerging pathogens“ moeglichst fruehzeitig abzuschaetzen. Das sind Keime, die Krankheiten erzeugen und bis vor kurzem unbekannt waren oder als ungefaehrlich eingestuft wurden. Zu dieser Gruppe zaehlt auch das Bakterium Arcobacter, das urspruenglich zur Gruppe der Campylobacter spp. gezaehlt wurde. Nach intensiven Untersuchungen wurden sie ab 1991 einem eigenen Genus zugeordnet. Einige Untergruppen des Bakteriums koennen beim Menschen Magen-Darm-Krankheiten ausloesen.

Ueber die Entstehung, die Entwicklung und die Uebertragungswege der Krankheiten ist bislang sehr wenig bekannt. Wissenschaftler haben allerdings herausgefunden, dass die Varianten (Serogruppen), die bei Erkrankten am haeufigsten nachgewiesen worden sind, auch in Gefluegelfleisch und sogar im Trinkwasser vorkommen. „Aufgrund dieser Erkenntnis muss viel oefter ueberprueft werden, ob sich die Keime in unseren Lebensmitteln verbergen“, sagt die Tieraerztin Angela Rohder von der Freien Universitaet Berlin. „Vor allem muessen wir ein zuverlaessiges und einheitliches Nachweisverfahren entwickeln, damit die Ergebnisse miteinander vergleichbar sind.“

Dieses Ziel setzte sich eine Arbeitsgruppe des Instituts fuer Lebensmittelhygiene des Fachbereichs Veterinaermedizin der Freien Universitaet Berlin. „Wir haben die Nachweismoeglichkeit von Arcobacter-Bakterien bei frischen Haehnchenkeulen und Rinderhack aus dem Berliner Einzelhandel ueberprueft und Daten ueber ihre Haeufigkeit erhoben“, erklaert Prof. Dr. Goetz Hildebrandt, der das Team leitet.

Nachdem die Veterinaermediziner ein kulturelles Verfahren einschliesslich einer genanalytischen Bestaetigung etabliert hatten, kauften sie Fleischproben auf dem Berliner Markt auf und untersuchten es: Von den 103 Haehnchenkeulen erwiesen sich 38 Stueck (entspricht 37 Prozent) als Arcobacter-positiv. Von 75 Rinderhackproben erbrachten drei Proben (vier Prozent) positive Resultate. Darunter befanden sich auch 25 Proben von Haehnchen aus oekologischer Haltung, bei denen fuenf Mal Arcobacter isoliert werden konnte.

Auch in Frankreich, Belgien und den USA haben Veterinaere Fleischanalysen vorgenommen, deren Ergebnisse denen der Berliner Proben aehneln. „Wir gehen davon aus, dass in ganz Deutschland bei Frischgefluegel mit einer hohen Arcobacter-Kontaminationsrate zu rechnen ist“, resuemiert Goetz Hildebrandt. „Rindfleisch hingegen scheint – in Uebereinstimmung mit den wenigen Untersuchungen, die bisher im Ausland durchgefuehrt worden sind – auch in Deutschland nur selten mit den Bakterien verunreinigt zu sein.“ Dem Verbraucher empfiehlt Angela Rohder „einen vorsichtigen Umgang mit rohem Gefluegelfleisch, wie es sowieso wegen des Risikos einer Salmonellen-Uebertragung selbstverstaendlich sein sollte“. Goetz Hildebrandt fuegt hinzu: „Und die Wissenschaft muss Arcobacter-Keimen dringend mehr Aufmerksamkeit schenken als bisher.“

Die ersten Arcobacter-Bakterien wurden aus Rinder- und Schweinefehlgeburten isoliert. Seit Anfang der neunziger Jahre werden sie auch mit Durchfallerkrankungen und Bauchkraempfen beim Menschen in Verbindung gebracht. „Inzwischen wissen wir, dass eine Uebertragung der Keime sowohl durch Trinkwasser als auch durch Lebensmittel zu Stande kommen kann“, sagt Angela Rohder. Sie befuerchtet, dass der Arcobacter-Erreger aehnlich unterschaetzt wird wie damals der Campylobacter. „Denn es gibt bereits Berichte aus der ganzen Welt, in denen im Zusammenhang mit Erkrankungen beim Menschen Arcobacter-Keime gesichert nachgewiesen werden konnten.“

Der erste Ausbruch ereignete sich 1983 in einer Grundschule in Italien. Die Kinder litten unter starken Kraempfen im Bauchraum, nicht unter Durchfall. Aus allen Kotproben wurden Arcobacter-Bakterien – damals noch „Campylobacter Like Organism“ genannt – isoliert. Ein konventioneller Keim, der Darmerkrankungen ausloest, konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Auch in Thailand waren Kinder betroffen, sie allerdings alle mit Durchfall. Von den 631 an Durchfall erkrankten Kindern konnten bei 93 die Bakterien nachgewiesen werden. In Deutschland sind 1994 bei zwei Patienten Kraempfe und Durchfall in Kombination aufgetreten. Bei einem anderen chronisch Erkrankten und bei einem Neugeborenen wurde Arcobacter sogar im Blut nachgewiesen.

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Angela Rohder, Institut fuer Lebensmittelhygiene des Fachbereichs Veterinaermedizin der Freien Universitaet Berlin, Tel.: 030 / 838-62553 oder -62550 (Sekretariat), E-Mail: arohder@gmx.de

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