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Kein Faktor XII, kein Herzinfarkt?

Blutgerinnungsfaktor bekommt 50 Jahre nach seiner Entdeckung eine neue Bedeutung

Der Blutgerinnungsfaktor XII spielt eine entscheidende Rolle bei Herzinfarkt und Schlaganfall. Das berichten Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum, dem DFG- Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin, und Thomas Renné vom Institut für Klinische Biochemie und Pathobiochemie der Universität Würzburg im „Journal of Experimental Medicine“. Schaltet man in der Maus das Gen für die Produktion dieses, auch als Hageman-Faktor bezeichneten, Proteins aus, kann man in den Gefässen dieser Tiere selbst unter Laborbedingungen keinen Blutpropfen erzeugen. Herzinfarkt und Schlaganfall, die durch einen in Herz bzw. Gehirn wandernden so genannten Thrombus ausgelöst werden, können nicht mehr auftreten.

Jeder Medizinstudent kennt ihn, doch so wirklich spannend war er bisher nicht: Faktor XII, einer der Stoffe in unserem Blut, der eine Rolle bei der Blutgerinnung spielt. Die Blutgerinnung ist ein überlebenswichtiger Prozess. Wird ein Gefäss verletzt, muss es möglichst schnell repariert werden. Funktioniert das nicht, droht Gefahr durch Verbluten. Vor jeder Operation wird daher zuvor ein Test durchgeführt: Eine Blutprobe des Patienten wird mit Porzellankügelchen versetzt. Die Oberfläche dieser Teilchen ist negativ geladen. Dadurch wird der Hageman-Faktor aktiviert und setzt die Blutgerinnung in Gang. Bleibt die Verklumpung im Test aus, muss der Patient jedoch nicht zwingend Probleme mit der Blutgerinnung haben. Einigen Menschen fehlt Faktor XII. Trotzdem werden ihre Wunden im Verletzungsfall schnell geschlossen. Das Fazit: Der Hageman-Faktor hat physiologisch offenbar keine Bedeutung. Lediglich im Reagenzglas führt er zur Verklumpung des Blutes.

Nieswandt und Renné verleihen dem bislang unbedeutenden Kandidaten ein ganz neues Gewicht: Kein Faktor XII, kein Herzinfarkt, lautet das Resultat ihrer Maus-Experimente. Der Hageman-Faktor scheint also bei der Blutgerinnung im Körper keinerlei Bedeutung zu haben, dafür aber entscheidend an der Thrombenbildung in den Gefässen beteiligt zu sein. „Das Dogma, dass die lebenswichtige Blutgerinnung und die gefährliche Bildung von Blutgerinnseln über den selben Weg ablaufen, wird durch unsere Ergebnisse in Frage gestellt“, erläutert Nieswandt. Der Hageman-Faktor könne daher ein spannender therapeutischer Ansatzpunkt sein. Setzt man ihn ausser Gefecht, ist der Patient möglicherweise vor Herzinfarkt und Schlaganfall geschützt und hätte im Fall einer Verletzung trotzdem kein erhöhtes Blutungsrisiko. Bei herkömmlichen Medikamenten muss der Arzt immer den Nutzen gegen das Risiko abwägen: So schützt z.B. Aspirin nur bedingt vor der Thrombusbildung, der Patient bezahlt dafür aber auch nicht mit einem erhöhten Blutungsrisiko. „ReoPro“ dagegen, das vor allem bei Patienten nach Kathetereingriffen verwendet wird, um den erneuten Gefässverschluss zu verhindern, schützt wirkungsvoll vor der Bildung eines Blutgerinnsels. Die Blutgerinnung ist aber so stark beeinträchtigt, dass eine Langzeittherapie mit diesem Arzneimittel undenkbar ist. Ob Faktor XII tatsächlich einen Ausweg aus diesem Dilemma bieten kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.

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