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Europäische Tanztradition und neurologische Störung

Eine jährliche Tanzprozession im luxemburgischen Echternach, deren Tradition sich bis zum frühen Mittelalter zurückverfolgen lässt, könnte in enger Verbindung zu neurologischen Störungen und ihrer Heilung stehen. Dies vermutet der Neurologe Paul Krack von der Universität Kiel in einer Studie, die in der Ausgabe vom 10. Dezember 1999 der Zeitschrift „Neurology“ veröffentlicht wurde.

Der Legende zufolge, die sich um die Tanzprozession rankt, wurden im späten 8. Jahrhundert Menschen, die unter krankhaften Muskelzuckungen (Tremor) und Lähmungen litten, auf wundersame Weise geheilt, nachdem sie sich am Grab des Missionars Willibrord, dem ersten Erzbischof von Utrecht aufgehalten hatten. Die Kunde von der Heilung verbreitete sich schnell, und bald begannen die Menschen an Willibrords Grab zu tanzen, um damit entweder Schutz vor den unheimlichen Erkrankungen oder Heilung zu erflehen. Im seuchengeschüttelten 14. Jahrhundert tanzten Christen und Heiden in Zentraleuropa, um Schutz vor der Seuche zu erlangen. Diese Tänze haben möglicherweise zu Epidemien von Massen-Hysterie und zum Ausbruch einer Störung, die als hysterische Chorea (gr. „Chorea“ ‚Tanz‘) bekannt wurden. Später nannte man die unkontrollierten Bewegungen auch Veitstanz.

Bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts haben Neurologen nach der Bedeutung der Tanztraditionen für die Tanzkrankheiten gefragt, so auch Henri Meige, der ebenfalls die Tanzprozession von Echternach beobachtet hat. Er hat Epidemien von Tanzkrankheiten im Mittelalter untersucht und ist zu dem Schluss gekommen, dass das Singen, Tanzen und Lachen während dieser Epidemien die Gehirnfunktionen beeinflusst und auch zu den Tanzkrankheiten im Mittelalter geführt habe. Dem stimmt auch Krack zu. „Gefühl, Verhalten und das Bewegungssystem sind im Gehirn sehr eng miteinander verbunden“, sagt Krack, „Man sieht das bei Parkinson-Patienten. In geringerem Grade kann man das auch an der Hochstimmung sehen, die jemand empfindet, der auf einer Party tanzt, singt und lacht.“

Heutzutage finden sich auf der Tanzprozession von Echternach, die übrigens immer am Dienstag nach Pfingsten stattfindet, keine Chorea-Kranken mehr. Die Tanzprozession ist eine religiöse Zeremonie, während der Menschen zu Volksmusik tanzen. „Menschen schliessen sich aus Freude der Prozession an oder um für einen behinderten Verwandten zu beten“, sagt Krack.

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