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Bärwurz: Schnaps und Medizin gegen Mitgräne

Thomas Lehner kultiviert als einziger Landwirt Bärwurz in Neutiefenweg und beliefert Brennereien im Bayerwald

von Alexandra Kolbeck.
Im Morgentau steigt der weiss bebärtete Wurzelsepp den Bayerwaldberg hinan, gräbt per Hand eine Bärwurz aus dem Boden, klettert wieder hinab ins Tal und liefert die Wurzel persönlich und freudestrahlend bei der ortsansässigen Brennerei ab, die aus der händisch geernteten Pflanze sogleich leckeren Schnaps ansetzt. – Thomas Lehner lacht schallend: »Diese archaische Vorstellung bedient das Klischee. «
Die Realität ist weit weniger romantisch. Thomas Lehner muss es wissen, baut der Agraringenieur doch seit mittlerweile 20 Jahren Heilkräuter an – darunter als einziger Landwirt in der Region auch die Bärwurz. Nun liegt Lehners Hof nicht im Bayerwald, wie die Affinität zu dem Schnaps in zylindrischen Steingut-Flaschen wohl zunächst vermuten lässt, sondern inmitten des Flachlands, in Neutiefenweg.
Dass die Bärwurz, mit botanischem Namen »meum athamanticum« genannt, bei Thomas Lehner gedeiht, führt der Landwirt allein auf ackerbauliche Gründe zurück: »Voraussetzung für einen guten Wuchs der Wildpflanze ist ein tiefgründiger, siebfähiger Boden und am besten keine Hanglage«, weiss der 35-Jährige. Obwohl die Wurzel eigentlich einfach zu kultivieren und zudem resistent gegen tierische Schädlinge und Pilze ist, findet Thomas Lehner regional keinen Nachahmer in seiner Branche: »Die meisten Landwirte scheuen den Anbau der Bärwurz, weil sie ein Frostkeimer ist. « Will heissen, die Samen werden im Herbst gesät, müssen jedoch den Winter überdauern, damit sie im Frühjahr auflaufen. Erst im dritten Standjahr lohnt die Ernte – und auch die ist kompliziert: Weil die Pflanze tief wurzelt, hat Thomas Lehner einen Kartoffelvollernter umgebaut, um die Wurzel aus dem Boden zu holen.
Wurzel in Alkohol angesetzt und gelagert
Hat Lehner seine zwei Hek-tar grosse Anbaufläche nach und nach abgeerntet, wird die Bärwurz »enthauptet«: »Nach dem Abhacken des Krauts werden die Wurzeln gewaschen und dabei komplett von Erde und Steinen befreit«, erklärt der Agraringenieur. In Zwölf- bis 14-Kilosäcken verpackt, kann Thomas Lehner die Bärwurz endlich seiner eigentlichen Bestimmung zuführen: Er liefert die Heilpflanze an sämtliche Schnapsbrennereien im Bayerwald und eine Destille im Alpenraum. Dort wird die Wurzel in Alkohol angesetzt, ein paar Wochen eingelagert und der Auszug abschliessend gefiltert, bevor die Spirituose in Steingut-Flaschen abgefüllt wird und in den Verkauf wandert.
Als Bestandteil des aromatischen Hochprozentigen aus dem Bayerischen Wald ist die Bärwurz am prominentesten. Ihr Extrakt wird aber auch in der Medizin verwendet, weshalb Thomas Lehner auf die Pharmazie als weiteren Abnehmer seiner Pflanze zählen kann. »In getrocknetem Zustand wird die Bärwurz gehäckselt und dem Birnenhonig nach Hildegard von Bingen zugeführt«, weiss der Agraringenieur: »Das Medikament soll Migräne vertreiben. «
Heilkraft schon im 16. Jahrhundert bekannt
In der Volksmedizin ist die heilende Wirkung der Bärwurz übrigens schon seit Jahrhunderten bekannt. Das »New Kreuterbuch« von 1588 etwa beschreibt: »Beerwurtzwasser getrunken/eröffnet die verstopffung der Leber/der Nieren/Harngäng/und der Blasen/vertreibt die Geelsucht/Wassersucht/den schmertzen der Därm und der Mutter/führet auss den Stein/vertreibet die Harnwinde/und das tröpfflingen harnen. «
»Mir ist die Wurzel in flüssiger Form am liebsten«, gibt Thomas Lehner lachend zu und holt fünf Flaschen aus seinem Küchenschrank, eine jede davon mit aromatischem Bärwurz befüllt. Die Spirituosen stammen von den Brennereien, die Lehner beliefert, und weichen voneinander deutlich ab im Geschmack. Freilich – ein Laie kennt keinen Unterschied, der Experte aus Neutiefenweg hingegen schon: »Vielleicht würde ich die Sorten auch mit verbundenen Augen auseinanderhalten und ihrer Brennerei zuordnen können«, mutmasst Thomas Lehner. Aber im Grunde sieht er die Herkunft des Schnapses als Nebensache an: »Wichtig ist, dass ein Stamperl Bärwurz ab und zu ganz lecker schmeckt. « Und in Massen genossen bestimmt nicht schadet.

Osterhofener Zeitung, 15. Mai 2007: http://www. pnp. de/osterhofen

In Wikipedia.de heisst es zum Bärwurz:
Der in Bayern (vor allem im Bayerischen Wald) bekannte und in zylindrischen, braunen Steingut-Flaschen verkaufte „Bärwurz“-Schnaps wird nicht aus Bärwurz (Meum athamanticum), sondern mit Extrakten von Alpen-Mutterwurz (Ligusticum mutellina) hergestellt .

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