Neben Empfehlungen zur medikamentösen Behandlung von Kopfschmerzen und Migräne stellt die neue Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) auch eine Reihe nicht-medikamentöser Möglichkeiten vor. Aufgrund der wissenschaftlichen Ausrichtung werden dabei nur diejenigen Verfahren genannt, die Evidenz basiert sind und damit allgemeingültigen Charakter in Anwendung und Wirkung aufweisen.
„In der Prophylaxe der Migräne erreichen nicht-medikamentöse Verfahren mittlerweile denselben Evidenzgrad wie medikamentöse Verfahren. Sie werden deswegen auch alternativ zur Behandlung mit medikamentösen Prophylaktika (vorbeugender Mittel) empfohlen,“ sagt Prof. Dr. Peter Kropp, Generalsekretär und Pressesprecher der DMKG und Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie der Universität Rostock, anlässlich einer Pressekonferenz in Hamburg. Es gebe einige Verfahren, die allesamt aus der Verhaltenstherapie stammen und bei unterschiedlichen Studien bereits effektive Erfolge gezeigt haben. In den Leitlinien sind die Evidenzklassen dieser Verfahren aufgeführt.
(vgl. Tabelle 7)
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Entspannung ist eines der wirkungsvollsten Verfahren in der Verhaltenstherapie. Sie dient der Behandlung von Spannungs- und Schmerzzuständen sowohl bei akuter Anwendung als auch in der Prophylaxe. Entspannungsverfahren können schnell und effektiv erlernt und eingesetzt werden. Metaanalysen kommen übereinstimmend zu der Einschätzung, dass Entspannungsverfahren (meist die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) eine Reduktion der Migränehäufigkeit von 35 bis 45 Prozent erreichen.
Biofeedback
Unter Biofeedback wird die visuelle oder akustische Rückmeldung von definierten Körperfunktionen verstanden. Diese Körperfunktionen werden dadurch exakt wahrnehmbar gemacht und können so willentlich kontrolliert werden. Die wichtigsten unimodalen Verfahren sind die thermale Biofeedbackbehandlung und die EMG-Biofeedback-Therapie. Bei dieser Therapietechnik lernt der Patient, eigentlich unveränderbare (unwillkürliche) Körperfunktionen so zu verändern, dass die begleitenden Schmerzen kontrolliert und vermindert werden können.
Kognitive Verhaltenstherapie
Als multimodales Verfahren kommt die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) zur Anwendung. Die Therapieverfahren werden in der Migränebehandlung sowohl schmerzspezifisch als auch schmerzunspezifisch im Sinne allgemeiner Lebensstiländerungen angewandt. Schmerzunspezifische Verfahren zielen auf Stärkung der Selbstkontrollkompetenz (Beispiel: ‚Ich muss nicht immer 150-prozentig sein, nicht immer ja sagen müssen.‘) (unimodal) oder Minimierung der Beeinträchtigung beziehungsweise verbesserte Schmerzbewältigung. Hier werden die die Schmerzen begleitenden Kognitionen (z.B. Katastrophisierung) angegangen und verändert (multimodal). Der multimodalen KVT liegt das bio-psycho-soziale Schmerzmodell zugrunde.
Dieses besagt, dass der Schmerz sowohl durch biologische (Medikamente), psychologische und/oder soziale Faktoren (effektive soziale Unterstützung durch Partner oder Angehörige) kontrolliert werden kann, Die KVT ist kognitiv-behavioral ausgerichtet und berücksichtigt die Komponenten und Ebenen eines Menschen, in denen sich die Konsequenzen der Schmerzerkrankung im Einzelfall finden lassen.
Beispielsweise Auswirkungen häufiger Kopfschmerzen im beruflichen und gesellschaftlichen Bereich. Das Hauptziel dieses Verfahrens ist die Minimierung (Ent-Katastrophisierung, Aufmerksamkeitsverschiebung) der Beeinträchtigung durch den Schmerz sowie die Erhöhung der Selbstkontrolle. Für die KVT liegen für Kopfschmerzpatienten gut ausgearbeitete standardisierte Programme vor. Dazu gehören zum Beispiel die „MIPAS“, Konkordanz-Therapie und das Training nach Denecke & Kröner-Herwig. Sie lässt sich zeit- und kostenökonomisch durchführen (unter zehn Sitzungen) und ist in der Gruppendurchführung genauso wirksam wie bei Einzeldurchführung.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Dipl.-Psych. Peter Kropp, Generalsekretär, Pressesprecher der DMKG und Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie der Universität Rostock
Gehlsheimer Straße 20, D-18147 Rostock
peter.kropp@med.uni-rostock.de
Tel.: +49-381-494-9530
Fax: +49-381-494-9532