• Home
  • Vermehrung des SARS-Virus im Tierversuch blockiert

Vermehrung des SARS-Virus im Tierversuch blockiert

Ein internationales Wissenschaftler-Konsortium unter Beteiligung der Philipps-Universitaet Marburg hat eine effiziente Methode zur Herstellung von Antikoerpern gegen SARS entwickelt. Die Ergebnisse wurden jetzt in Nature Medicine veroeffentlicht. Im Tierversuch fuehrten die gewonnenen neutralisierenden Antikoerper bereits zu einer Blockade der Vermehrung des SARS-Coronavirus.Ein Wissenschaftler-Konsortium aus vier Laendern unter Beteiligung von Marburger Virologen hat eine Methode entwickelt, um schnell und effizient Antikoerper gegen das SARS-Coronavirus herzustellen. „Wir vermuten, dass sich jetzt eine wirkungsvolle Moeglichkeit der schnellen Bekaempfung von SARS-, aber auch von anderen Virus-Epidemien eroeffnet“, so Dr. Stephan Becker vom Institut fuer Virologie der Philipps-Universitaet Marburg. Im Tierversuch an Maeusen haben die bei dem neuen Verfahren gewonnenen neutralisierenden Antikoerper bereits gezeigt, dass sie die Vermehrung des Virus effizient blockieren. Die Ergebnisse wurden am 11. Juli 2004 als Advance Online Publication des Wissenschaftsmagazins Nature Medicine vorgestellt und erscheinen im August in der Druckausgabe. Becker firmiert dabei als „equal contributor“ (gleichberechtigter Autor) neben Elisabetta Traggiai vom Institute for Research in Biomedicine (IRB) im schweizerischen Bellinzona und Kanta Subbarao vom Laboratory of Infectious Diseases (LID) in Maryland, USA. SARS, das Schwere Akute Atemwegssyndrom, wurde erstmals im Februar 2003 in Hanoi, Vietnam, beschrieben und hat weltweit schon zahlreiche Opfer gefordert.

Die neue Methode zur Herstellung von neutralisierenden Antikoerpern gegen SARS beruht darauf, so genannte B-Gedaechtniszellen aus dem Blut von Menschen zu gewinnen, welche die Infektion ueberstanden haben. Waehrend der Koerper bei einer Erstinfektion normalerweise ein bis zwei Wochen benoetigt, um Antikoerper gegen ein Virus zu bilden – ein Zeitraum, in dem sich das Virus aber bereits vermehrt und oft schon eine Erkrankung ausloest -, stellen diese Zellen sozusagen eine schnelle Eingreiftruppe des Organismus dar. Nach ueberstandener Erstinfektion patrouillieren sie dauerhaft im Koerper und koennen kurzfristig Antikoerper gegen den dann bereits bekannten Angreifer ausschuetten. So vermehrt sich das Virus nicht weiter und der befallene Organismus gewinnt den Wettlauf mit der Zeit.

Die B-Gedaechtniszellen wurden aus dem Blut von SARS-Ueberlebenden isoliert. Elisabetta Traggiai und Antonio Lanzavecchia, beide vom IRB, machten die Gedaechtniszellen im Reagenzglas mittels einer Virusinfektion „unsterblich“: Der Fachbegriff besagt, dass sich diese theoretisch unendlich oft teilen koennen. Danach wurden die B-Gedaechtniszellklone von den Marburger Forschern Larissa Kolesnikova und Stephan Becker daraufhin untersucht, ob sie Antikoerper gegen das SARS-Coronavirus ausschuetteten. Bei etwa fuenf Prozent der geklonten Zellen konnten diese Antikoerper die Infektion von Zellkulturen durch das SARS-Coronavirus verhindern.

Anschliessend zuechteten die Forscher jene Zellen, die besonders effizient Antikoerper ausschuetteten, in grossen Mengen an. Die neutralisierenden Antikoerper wurden gereinigt und von Kanta Subbarao und Brian Murphy, beide vom LID, im Tierexperiment eingesetzt. Schon eine relativ geringe Menge an Antikoerpern, so zeigte sich, konnte die Vermehrung des SARS-Coronavirus in infizierten Maeusen effizient blockieren.

Die neue Methode zur Herstellung von menschlichen monoklonalen Antikoerpern hat drei wesentliche Vorteile. Sie ist schnell: Innerhalb von drei Monaten nach dem Auftreten von SARS, im Juli 2003, hatte die Forschergruppe bereits die ersten neutralisierenden Antikoerper gewonnen. Sie ist spezifisch: Da die Antikoerper von einem Individuum stammen, das die Infektion durch den SARS-Coronavirus gluecklich ueberstanden hatte, war sicher gestellt, dass fuer das SARS-Coronovirus spezifische und relevante Antikoerper vorhanden waren. Und drittens: Sie ist breit anwendbar. Nicht nur das SARS-Virus kann mit dieser Methode bekaempft werden, zumindest im Prinzip koennte damit eine ganze Reihe von Virusinfektionen inhibiert, also gehemmt werden.

Auch der Zeitpunkt der zurueckliegenden Virusinfektion des Patienten, aus dem die B-Gedaechtniszellen isoliert werden, spielt fuer die Gewinnung von Antikoerpern offenbar keine entscheidende Rolle. Die Forscher isolierten erfolgreich B-Gedaechtniszellen und damit neutralisierende Antikoerper aus Personen, deren Erkrankung, in diesem Fall eine Masernvirusinfektion, schon mehr als vierzig Jahre zurueck lag. Daher ist zu vermuten, dass sich mit der jetzt vorgestellten Methode auch Epidemien bekaempfen lassen, die von bislang unbekannten Viren ausgeloest werden.

Hintergrund des Forschungsprojekts ist die Epidemie im Maerz letzten Jahres, die von dem bis dahin unbekannten SARS-Coronavirus ausgeloest wurde. Sie forderte von insgesamt rund achttausend infizierten Personen etwa achthundert Todesopfer, viele davon Krankenschwestern und Aerzte. Ein besonderes Interesse der Forschung besteht daher auch darin, das Pflegepersonal vor einer Infektion zu schuetzen, um die Funktionsfaehigkeit der Gesundheitssysteme im Falle einer Epidemie zu gewaehrleisten. Diese Moeglichkeit scheint durch das neue Verfahren nun gegeben zu sein.

Die erste Therapie, die Menschen durch die Verabreichung von Antikoerpern vor Erkrankung schuetzte, hatte vor etwa hundert Jahren der Marburger Medizinprofessor Emil von Behring entwickelt, der fuer seine Entdeckung der Antikoerper im Jahr 1901 den ersten Nobelpreis fuer Medizin erhielt. Im Rahmen seiner „Serumtherapie“ verabreichte er Personen, die an Diphterie erkrankt waren, ein Serum, das er von einem mit dem Diphterietoxin – also mit den Eiweissen, die von Diphteriebakterien ausgeschuettet werden – immunisierten Pferd gewonnen hatte. Als Serum bezeichnet man denjenigen fluessigen Bestandteil von Blut, der nach dessen Gerinnung uebrig bleibt. Pferdeserum wird heute allerdings nur noch selten verwendet, da die Tiereiweisse beim Menschen allergische Reaktionen ausloesen koennen.

Heutzutage werden stattdessen gereinigte menschliche Seren mit Antikoerpern gegen das zu bekaempfende Virus oder Bakterium eingesetzt. Gegen hoch pathogene Viren wie etwa das Ebola-Virus oder das SARS-Coronavirus stehen davon allerdings viel zu wenige zur Verfuegung, unter anderem, weil es zu wenige Patienten gibt, von denen es gewonnen werden koennte. Ein weiterer Grund ist, dass vor allem in Afrika ein hohes Risiko der Kontaminierung der Seren mit dem AIDS-Virus besteht. Die Alternative, naemlich die Herstellung von Antikoerpern im Reagenzglas, ist bislang sehr zeitaufwaendig und haeufig erfolglos.

Ausfuehrliche Bildunterschrift: Elektronenmikroskopische Aufnahmen des SARS-Coronavirus. Obere Reihe, von links nach rechts, Bilder 2-4: Immunelektronenmikroskopische Untersuchung. Die Viren wurden mit einem Serum behandelt, das Antikoerper gegen das SARS-Coronavirus enthaelt. Untere Reihe, Bilder 2-4: Die Viren wurden mit dem neu gewonnenen monoklonalen Antikoerper behandelt. Die gebundenen Antikoerper wurden mit einer Goldmarkierung sichtbar gemacht (schwarze Punkte).

Weitere Informationen:

HD Dr. Stephan Becker: Institut fuer Virologie, Robert-Koch-Str. 17, 35037 Marburg Tel: (06421) 28 63061, Fax (06421) 28 65482, E-Mail: becker@staff.uni-marburg.de

Weitere Infos finden Sie hier …

Leave A Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.