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TU München: Pilzwirkstoff von den Osterninseln schützt am besten vor Gefässverschluss

Eine seit Jahren offene Frage in der Behandlung von herzkranken Patienten haben Wissenschaftler der TU-Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen nun beantwortet. Sie fanden heraus, dass Metallröhrchen zur Aufdehnung verengter Herzkranzgefässe – sogenannte Stents – einer erneuten Gefässverstopfung dann besser vorbeugen, wenn Sie mit dem Antibiotikum Sirolimus (Rapamycin) statt mit dem Krebsmittel Paclitaxel beschichtet sind.

Das überraschte auch die Mediziner der TU-Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen im Münchner Herzzentrum: Gleich zwei Publikationen aus dem Deutschen Herzzentrum erscheinen am 17. August 2005 in zwei der renommiertesten Fachzeitschriften*. Grund für das grosse internationale Interesse sind die brisanten Forschungsergebnisse, die das Spezialistenteam um Prof. Albert Schömig, ärztlicher Direktor des Herzzentrums München und Direktor der I. Medizinischen Klinik und Poliklinik im Klinikum rechts der Isar der TU München, vorlegten.

Gefässstütze mit unerwünschter Nebenwirkung

Patienten, deren Herzkranzgefässe verengt sind, erhalten in der Regel kleine röhrenförmige Drahtgeflechte, sogenannte Stents, zur Aufdehnung der Gefässe. Diese 1986 zum ersten Mal angewandte Methode revolutionierte die Therapie der koronaren Herzerkrankung. Für den Eingriff reicht ein kleiner Schnitt in der Leiste. Dann führt der Arzt einen Katheter bis zu den Herzkranzgefässen ein und platziert den Stent millimetergenau an der verengten Stelle. Der Patient benötigt keine Narkose und spürt während des Eingriffs keine Schmerzen. Jährlich werden so weltweit über zwei Millionen Menschen – in Deutschland sind es rund 150.000 – behandelt. Doch die Methode birgt ein Risiko: Bei über einem Drittel der Patienten kommt es zu Komplikationen, da die künstlichen Gefässstützen eine Fremdkörperreaktion hervorrufen. Die irritierte Wand des Blutgefässes bildet verstärkt neue Zellen, diese wandern in das Blutgefäss ein und drohen es erneut zu verstopfen. Bei fast 20% der Stent-Patienten muss daher nach rund sechs Monaten ein erneuter Eingriff erfolgen. Dies bedeutet nicht nur eine Belastung für den Patienten, sondern verursacht auch hohe Kosten für das Gesundheitswesen.

Eiben- contra Pilzwirkstoff

Ende der 1990er Jahre versuchte man mit einem eleganten Trick die Nebenwirkungen der Gefässstützen abzumildern. Medizintechniker beschichteten den Stent mit Medikamenten, die der Neubildung von Zellen entgegenwirken. Die Idee hatte Erfolg. Der medikamenten- beschichtete Stent verringerte die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Gefässverengung (Restenose) auf unter 10%. „Doch auch diese Zahl“, so Professor Adnan Kastrati, Oberarzt an der TU-Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen im Münchner Herzzentrum „erschien uns immer noch zu hoch“. Eine Möglichkeit, die Gefahr einer Restenose noch weiter zu senken, ist die Wahl des richtigen Medikaments. Zwei Substanzen haben sich dabei auf dem Markt durchgesetzt: Der Eibenwirkstoff Paclitaxel und das in Pilzen der Osterninsel Rapa Nui entdeckte Antiobiotikum Sirolimus (Rapamycin). Beide haben in grossen Studien ihre Wirksamkeit bewiesen. Die Frage, die Kardiologen, Patienten und Pharmafirmen nun gleichermassen interessierte war: Welcher der beiden medikamentenbeschichteten Stents wirkt besser?

ISAR-Studie deckt Unterschiede auf

Diese Frage beantwortete nun das Team um Professor Albert Schömig und Professor Adnan Kastrati. In der ISAR-DIABETES Studie verglichen die Mediziner bei 250 Patienten mit Diabetes den Sirolimus beschichteten Stent mit dem Paclitaxel beschichteten Stent. Damit die möglicherweise geringen Unterschiede wie unter einem Vergrösserungsglas zum Vorschein kommen, wählten die Studienleiter nur Hochrisikopatienten mit Diabetes Typ-II für ihre Untersuchung. „Gerade Patienten, die ein hohes Risiko für eine erneute Verengung der Herzkranzgefässe mitbringen, brauchen eine optimale Therapie“, erklärt Professor Adnan Kastrati. „Schon ein geringer Vorteil eines Wirkstoffes führt bei diesen Patienten zu einer deutlichen Verbesserung ihrer gesundheitlichen Situation.“ Da die Ergebnisse dieser Vergleichsstudie auch wirtschaftlich von grossem Interesse sind, war es für die Studienleiter des Herzzentrums wichtig bei der Finanzierung der Studie unabhängig zu sein. Daher wurden alle Kosten vom Herzzentrum selbst und ohne die oft üblichen Zuschüsse von Firmen getragen. Die Ergebnisse der Studie, die am 17. August im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht wird*, zeigen einen eindeutigen Vorteil des Pilzwirkstoffs Sirolimus. Patienten, deren Gefässe mit einem Sirolimus beschichteten Stent abgestützt wurden, hatten im Beobachtungszeitraum von sechs bis neun Monaten ein um 50% geringeres Risiko für eine erneute Gefässverengung als die Gruppe, deren Stents mit Paclitaxel beschichtet waren. Doch lässt sich dieser Vorteil auch auf eine Gruppe von „Normalpatienten“ übertragen?

Übersichtsarbeit bestätigt Ergebnis

Um das herauszufinden, fasste das Medizinerteam des Herzzentrums alle weltweit vorliegenden Studienergebnisse zu medikamentenbeschichteten Stents zusammen – darunter auch einige noch unveröffentlichte Daten. In dieser sogenannten Metaanalyse mit 3669 Patienten verglichen sie das Abschneiden der beiden Wirkstoffe Paclitaxel und Sirolimus (Rapamycin). Und auch hier zeigte sich erneut die Überlegenheit der mit Sirolimus beschichteten Stents: Sirolimus senkte das Risiko einer erneuten Verengung der Herzkranzgefässe im Vergleich zu Paclitaxel um ein Drittel. Dieses Ergebnis wird am 17. August in der amerikanischen Fachzeitschrift JAMA veröffentlicht. „Was wir mit unseren Untersuchungen und der Metaanalyse in sehr kurzer Zeit zeigen konnten, ist mehr als nur ein Hinweis darauf, welches Medikament Herzpatienten vielleicht besser helfen kann. Es ist ein Endergebnis. Rapamycin- beschichtete Stents sind bei uns am Deutschen Herzzentrum Stents der ersten Wahl“, fasst Professor Albert Schömig die Schlussfolgerung aus den Studiendaten zusammen.

Weitere Infos finden Sie hier …

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