Künstliche Beleuchtung in der Nacht begünstigt verschiedene Tumoren. Diese These war bis vor kurzem umstritten. Doch nun bestätigt eine Studie an 120.000 Testpersonen den Zusammenhang für Brust-, Dick- und Enddarmkrebs. Das Risiko für diese Tumoren steigt bei regelmässiger Nachtarbeit über einen Zeitraum von 15 Jahren um bis zu 35 Prozent an.
Licht, ob künstliches oder natürliches, ist überall auf der Welt Sinnbild des Guten. Umso unglaublicher erscheint es, dass sich nun Studien häufen, die künstliches Licht in der Nacht als eine Ursache für verschiedene Krebsarten dingfest machen. Regelmässige Nachtarbeit erhöht beispielsweise das Risiko einiger Tumoren um bis zu 35 Prozent.
Dass Licht schaden kann, deutete sich zum ersten Mal vor einigen Jahren an. Damals beobachteten unter anderem skandinavische Forscher, dass blinde Frauen nur halb so oft an Brustkrebs erkranken wie sehende. Die ersten Studien waren jedoch zu klein, um aussagekräftig genug zu sein. Die Ergebnisse wurden daher nicht ernst genommen.
Erst als Eva Schernhammer, Wissenschaftlerin an der Harvard Medical School in Boston, Daten von über 120.000 Krankenschwestern auf den Zusammenhang zwischen Nachtschichten und dem Brustkrebsleiden untersuchte, erhärtete sich der Verdacht: Krankenschwestern, die häufig nachts arbeiten, haben ein höheres Krebsrisiko. Es liegt nach 15 Jahren regelmässiger Nachtarbeit um bis zu einem Drittel höher als üblich. Auch für Dick- und Enddarmkrebs steigt die Gefahr mit der Nachtarbeit in ähnlichem Masse an.
„Licht in der Nacht verringert die Produktion von Melatonin. Dieser Stoff wird normalerweise überwiegend während des Schlafes im Dunklen gebildet und schützt vor Krebs“, erläutert Schernhammer. Darüber hinaus scheint Licht in der Nacht für mehr weibliches Östrogen zu sorgen. Dieses wiederum lässt die Gefahr von Brustkrebs ansteigen. Tatsächlich fanden sich im Blut der nachts arbeitenden Krankenschwestern niedrigere Melatonin- und erhöhte Östrogenwerte.
Bisher schoben einige Mediziner die grössere Krebsgefahr alleine dem Östrogen in die Schuhe. Diese Erklärung genügt jedoch nun nicht mehr, denn auch andere Krebsarten wie Darmkrebs nehmen mit den Nachtschichten zu. „Dies lässt sich eher über das fehlende Melatonin als über zu hohe Östrogenspiegel begründen“, berichtet Schernhammer. Demnach müssten nicht nur Frauen, sondern auch Männer, welche die Nacht durchwachen, ihr Krebsrisiko erhöhen. Weitere Studien sollen darüber Aufschluss geben.
Kritik an der Lichtthese weiss Schernhammer heute dank umfassender Untersuchungen zu entkräften. So fällt auch Stress der Nachtarbeiter als Grund für den häufigeren Krebs aus. „Wir haben alle bis dato bekannten Risikofaktoren für Brust- und Dickdarmkrebs bei der Auswertung nochmals berücksichtigt. Wir fanden aber keinen nennenswerten Einfluss auf unsere Ergebnisse“, hebt Schernhammer nachdrücklich hervor.
Rückendeckung kommt von dem Mediziner George Brainard von der Thomas-Jefferson-Universität in Philadelphia. Er liess Studenten bei unterschiedlich farbigem Licht die Nacht hindurch kein Auge schliessen und untersuchte danach ihr Blut. Dabei stellte Brainard fest, dass vor allem blaues Licht das krebsschützende Melatonin absinken lässt, während rotes Licht sich vergleichsweise harmlos zeigte.
All dies seien sehr junge Erkenntnisse, um die noch rege geforscht werde, betont Brainard. Vermutlich lässt sich der Befund durch einen bislang unbekannten Rezeptor im Auge erklären, der weder zu den Stäbchen noch zu den Zapfen gehört. Er leitet Informationen über die äusseren Lichtverhältnisse an das Gehirn weiter, und zwar an eine Region, die landläufig als biologische Uhr bekannt ist und die die Bildung von Melatonin steuert. „Dieser neue Rezeptor spricht vor allem auf blaues Licht an“, erklärt Schernhammer gegenüber ddp.
Bringen durchwachte Nächte damit die biologische Uhr und mit ihr die Melatonin-Produktion durcheinander? Vieles spricht dafür. Mitunter auch die Tatsache, dass fehlender Schlaf auf Dauer rascher altern lässt. Wer die Nacht zum Tag macht, mag sich am Morgen, um Jahre gealtert, im Spiegel kaum wiedererkennen. Doch vom höheren Krebsrisiko verriet der Spiegel bislang nichts.
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