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Die Kunst, noch Mensch zu bleiben: Strategien der Abgrenzung bei Führungskräften

„Die Managerkrankheit ist eine Epidemie, die durch den Uhrzeiger hervorgerufen und durch den Terminkalender übertragen wird“, soll der Schriftsteller John Steinbeck einmal über den Alltag in Führungsetagen gesagt haben. Auch Manager sind nur Menschen, die in mittlerer und oberer Führungsebene oft selbst Getriebene der eigenen Prozesse sind. Aber wie schaffen es Führungskräfte dennoch, ihren ganz persönlichen Wertehorizont zu generieren und Abstand zur Arbeit zu gewinnen? Wie bleiben sie Privatmann bzw. -frau? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die Eichstätter Soziologin Sandra Siebenhüter in ihrer Dissertation, für die sie Manager aus den Branchen Automobil- und Flugzeugindustrie, Banken und Dienstleistungen sowie Personal- und Unternehmensberater ausführlich befragte.

Grundsätzlich zeigte sich, dass es nur wenigen Menschen gelingt, wirklich abzuschalten. „Unternehmen üben durch die Vorgabe von häufig unklar definierten Zielen einen ausgesprochen starken Druck auf die Manager aus. Jede Firmenleitung weiss, dass kein Druckmittel so effizient ist, wie das der Selbstausbeutung durch einen hohen Grad an Entscheidungsfreiheit“, erklärt Siebenhüter. Abstand zu gewinnen sei eine grosse Kunst, die nur wenige beherrschten. Ein Symptom dieser Entwicklung sei die Zunahme an Herz-Kreislauferkrankungen und die steigende Zahl des Burn-Out-Syndroms in Führungsetagen.

Bei Managern, denen Distanz gelingt, konnte die Forscherin zwei grundlegende Strategien unterscheiden: „Die einen praktizieren eine eher technisch funktionale Sichtweise, die sich stark an der Struktur und den Erfordernissen des Unternehmens orientiert. Das hilft, sich klar abzugrenzen durch strikte Zeitstrukturen bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende, Nicht-Erreichbarkeit im Urlaub und nach Feierabend.“ Dazu gehöre auch eine starke Trennung von Berufs- und Privatwelt, indem man über berufliche Aspekte zuhause nicht rede oder Rituale pflege, die den Tag strukturierten. „Andere Manager jedoch praktizieren eine sehr emotionale, zum Teil ethische Sichtweise: Sie arbeiten im Urlaub bei der Bahnhofsmission oder werben selbst als Bankenvorstand noch Kunden an, um Abstand von ihrer eigentlichen Tätigkeit zu bekommen“, sagt Sandra Siebenhüter. Manche seien auch fürsorglich um ihre Mitarbeiter bemüht, indem aus Rücksicht auf das Familienleben zum Beispiel kein Meeting nach 18 Uhr angesetzt werde. „Unter Umständen wird einem leitenden Angestellten auch ein Zwangsurlaub verpasst. Die Intention dahinter ist klar: Lieber lässt sich die Firma den kurzfristigen Ausfall etwas kosten, als dass der Angestellte ein Jahr lang nicht zu gebrauchen ist, weil seine Ehe in die Brüche geht.“

Grundsätzlich seien Manager, die Abstand zu ihrer eigenen Berufsrolle finden stärker dazu in der Lage, unterschiedliche Perspektiven miteinander zu kombinieren. „Die unterschiedlichen Selbstbilder eröffnen ihnen auch in beruflicher Hinsicht mehr Handlungsoptionen als jenen, die sich nur auf den Erfolg im Job konzentrieren“, sagt Sandra Siebenhüter. Das beste Zeitmanagement für eine Distanz zum Beruf nütze jedoch nur wenig, wenn nicht auch die Umwelt des Managers Freiräume zulasse. „Klar wurde eines: Sich eine Distanz zu schaffen ist harte Arbeit, vielleicht sogar mehr, als 10 Stunden am Tag zu arbeiten.“

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