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Schrauben, die sich auflösen

Nägel, Platten, Stützen, Fäden und Folien aus Milchsäure sind die neuen Helfer in der Chirurgie

Sinzing (obx-medizindirekt) – Nägel helfen Knochenbrüche heilen: Sie fixieren die Bruchstelle, damit der Knochen wieder richtig zusammenwächst. Aber sie haben einen Nachteil: Nach der Heilung sind sie nicht nur überflüssig, sondern bisweilen sogar gefährlich. Denn das Immunsystem des Körpers erkennt sie als Fremdkörper und bekämpft sie. Mit den neuen Nägeln, Schrauben und Folien aus Biomaterial besteht diese Gefahr jedoch nicht mehr. Denn diese Helfer lösen sich allmählich im Körper wieder auf. Übrig bleiben am Ende nur etwas Kohlendioxid, das über die Lunge abgeatmet wird, und Wasser.

Gemacht werden die neuen Operationshilfen aus Milchsäure, wie sie auch im menschlichen Körper vorkommt. Deshalb werden Stifte und Schrauben aus diesem Material vom Immunsystem nicht bekämpft. Aus Milchsäure lassen sich so genannte Polylaktide herstellen, die zu belastbaren Materialien geformt werden können. Die Stifte und Schrauben lösen sich unter Einwirkung des Wassers im Körper innerhalb von zwei bis fünf Jahren restlos auf und werden vom Körper entsorgt. Einziger Nachteil: Der Preis. Ein Milchsäure-Stift kostet um die 80 Euro. Allerdings werden andererseits  in Deutschland jährlich rund 100 Millionen Euro aufgewendet, um Stifte, Schrauben oder Platten aus Metall wieder aus dem Körper von Patienten zu entfernen. Bei Schrauben aus Milchsäure erübrigt sich das.

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Allerdings ist die Festigkeit der Milchsäure-Schrauben begrenzt – deshalb werden die Werkzeuge aus abbaubarer Milchsäure eher bei kleineren und besonders komplizierten Eingriffen eingesetzt. Zum Beispiel in der Orthopädie bei Schulterverletzungen, bei denen der Bindegewebsring der Gelenkpfanne abgerissen ist: Mit Ankern aus Milchsäure lässt sich dieser Ring wieder befestigen. Auch bei Operationen an der Wirbelsäule werden bioresorbierbare Implantate eingesetzt. Ein wichtiger Bereich ist die Reparatur von Knorpelbrüchen in Gelenken. Kieferchirurgen verwenden Schräubchen aus Milchsäure zur Versorgung von Kieferbrüchen. Folien aus Polylaktiden werden in der Herzchirurgie oder in der Geburtshilfe benutzt, um Weichteile in ihrer Form zu halten. Und als Nahtmaterial werden Fäden aus Milchsäure ebenfalls erfolgreich eingesetzt.

Ein besonderes Feld tut sich für die Helfer aus Milchsäure in der Behandlung von Herz-Kreislauf-Krankheiten auf: Die ersten biologisch abbaubaren Gefäßstützen aus Milchsäure wurden in Japan bei 15 Patienten eingesetzt. Diese so genannten Stents dienen dazu, verengte Arterien aufzudehnen. Die bisher verwendeten Gefäßstützen aus Edelstahl rufen häufig Komplikationen wie Entzündungen und einen Wiederverschluss der Arterie an der gleichen Stelle hervor.

Schließlich arbeiten Wissenschaftler verschiedener deutscher Universitäten auch an körperverträglichen Bioimplantaten, die sich nicht auflösen: Aus Traubenzucker werden mit Hilfe von Bakterien des Typs Acetobacter xylinum Zellulose-Hohlfasern „gestrickt“, die als künstliche Blutgefäße verwendet werden können. Das Material ist im Gegensatz zu Gefäßprothesen aus Kunststoff ebenso glatt wie natürliche Blutgefäße. Dadurch wird das Risiko der Bildung von Blutgerinnseln ausgeschlossen. Allerdings lässt sich bisher die Bio-Ader nur mit einem Innendurchmesser von einem Millimeter und einer Länge von eineinhalb Zentimetern züchten.

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