Neue Behandlungsstrategien bei der altersbedingten Makuladegeneration
Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit eines neuen Therapieprinzips bei der „feuchten“ altersabhängigen Makualdegeneration: Sogenannte VEGF-Hemmstoffe können die Erkrankung aufhalten und bei einem Teil der Patienten sogar die Sehkraft bessern. Die Mittel werden in mehrwöchigem Abstand in den Augapfel injiziert. Ebenso gibt es Ansätze, die Hemmstoffe mit einer Laserbehandlung zu kombinieren. Das berichten Experten auf der 104. Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), die vom 21.-24. September in Berlin stattfindet.
Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) ist in Industrienationen die häufigste Erblindungsursache. Bei der sich langsam entwickelnden „trockenen Form“ verursachen stoffwechselbedingte Ablagerungen (Drusen) im Bereich des schärfsten Sehens (Makula) in der Netzhaut (Retina) Sehstörungen. Bei etwa 10 bis 15 Prozent der Patienten entwickelt sich die „feuchte Form“ der Erkrankung. Neu gebildete Blutgefässe spriessen in die Makula ein, die normalerweise keine Blutgefässe enthält. Aus diesen Gefässen tritt Flüssigkeit aus und macht den Patienten allmählich das Lesen unmöglich, die Sinneszellen degenerieren. Die Erblindung steht am Ende, selbst wenn die Netzhaut in der Peripherie nicht beeinträchtigt ist.
In der Behandlung setzen Augenärzte auf eine Zerstörung der Blutgefässe. Möglich ist dies zum einen mit einer so genannten photodynamischen Therapie: Der Arzt injiziert dem Patienten die Substanz Verteporfin in die Vene. Das Mittel reichert sich unter anderem auch in der Retina an. Eine Laserbehandlung aktiviert die Substanz. Dadurch werden die wuchernden Blutgefässe zerstört. So lässt sich die Erkrankung bremsen, allerdings wird die Sehkraft nicht verbessert.
Ein neues Wirkprinzip.
Inzwischen wurde das Armentarium der Ophthalmologen um ein neues Wirkprinzip erweitert: eine medikamentöse Therapie, welche die Bildung neuer Blutgefässe blockiert und diese abdichtet. Dieses Prinzip wird Anti-Angiogenese genannt. Das Medikament blockiert Wachstumsfaktoren für Blutgefässe, sogenannte vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren (VEGF), die bei der Entstehung der feuchten AMD die Bildung der Blutgefässe in der Makula stimulieren.
„Dieses Wirkprinzip ist ein wesentlicher Durchbruch“, sagt Professor Frank G. Holz von der Universitäts-Augenklinik Bonn, der auf der Tagung der Augenärzte mehrere Studien präsentiert.
Seit einigen Monaten bereits zugelassen ist der erste Vertreter dieses Wirkprinzips, der Wirkstoff Pegaptanib. Das Mittel – es wird direkt in den Augapfel injiziert – ist so „konstruiert“, dass es spezifisch an die Wachstumsfaktoren bindet. Es bremst den Verlust der Sehkraft.
In den USA und in der Schweiz bereits zugelassen ist auch Ranibizumab. In Deutschland ist dieses Medikament ebenfalls bereits über die internationalen Apotheken erhältlich, aber noch nicht zugelassen. Es handelt sich um ein humanisiertes monoklonales Antikörperfragment, das ebenfalls ein Protein aus der Gruppe der Wachstumsfaktoren (VEGF-A) bindet und dieses hemmt. Auch Ranibizumab wird in den Augapfel („intravitreal“) injiziert. Die Injektion erfolgt anfänglich in einem monatlichen Rhythmus, danach je nach Bedarf in grösseren Abständen.
Die Sehkraft bessert sich. Wie Frank Holz auf der Tagung in Berlin berichtet, zeigt die so genannte MARINA-Studie – eine multizentrische, randomisierte, kontrollierte Doppelblind-Studie, dass Ranibizumab „einen Verlust der Sehkraft effektiv verhindert und bei einem Grissteil der Patienten binnen zwei Jahren zu einer Visusverbesserung führt.“ Ausserdem, so Holz weiter, bestätigten die Daten, dass Nebenwirkungen am Auge sehr selten sind und es keine Hinweise auf systemische Nebenwirkungen dieser Therapie im Körper gibt. „Die Behandlung erweist sich vor allem dann als wirksam“, betont Holz, „wenn die Therapie frühzeitig eingesetzt wird.“
Derzeit prüfen die Experten, ob sich die Abstände zwischen den Injektionen verlängern lassen. Denn natürlich bergen die Injektionen in den Augapfel auch Nebenwirkungen und Risiken, z.B. Entzündungen. So präsentieren Wiener Augenärzte Untersuchungen, bei denen nach einer dreimonatigen Behandlung mit vierwöchigem Abstand die Behandlungsfrequenz auf eine Injektion alle drei Monate reduziert wurde.
Kombination mit dem Laser. Das Intervall zwischen den Injektionen verlängern soll auch die Kombination von Ranibizumab mit einer photodynamischen Therapie. Auch zu dieser Methode werden erste Studiendaten in Berlin präsentiert.
„Off-label use“ eines Krebsmedikamentes.
Zahlreiche Studien präsentieren verschiedene Forschergruppen über die Ergebnisse einer Behandlung mit einem anderen Antikörper, dem Bevacizumab. Auch dabei handelt es sich um einen VEGF-Antikörper, der zur Behandlung von Darm- und Brustkrebs zugelassen ist. Darum setzen die Augenärzte das Mittel „off label“, d.h. ausserhalb der zugelassenen Indikation ein. Deshalb sind die Krankenkassen im Moment nicht zur Kostenübernahme verpflichtet.
Dieser Antikörper wird ebenfalls in den Augapfel gespritzt. Auch diesem Medikament bescheinigen Experten, dass es zu einem „messbaren Anstieg der Sehschärfe“ führt . Allerdings befinden sich die Studien noch in einem frühen Stadium, Langzeitergebnisse stehen noch aus.
Bevacizumab kombinieren die Spezialisten inzwischen ebenfalls mit einer photodynamischen Therapie: Holz: „Die vorliegenden Kurzzeitergebnisse deuten darauf hin, dass die Kombination dieser Therapien am gleichen Tag eine sichere und wirksame Therapieoption darstellt und daher weniger häufig Injektionen in den Glaskörper erforderlich sind.“