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Herzschwäche durch defekte Blutgefäss-Innenwände

Forscher am Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen entdecken erstmals defekte Zellverankerung als Ursache der dilatativen Kardiomyopathie (Herzschwäche mit Erweiterung des Herzmuskels)

Auch Defekte an Eiweissen für die Verankerung von Körperzellen in ihrer Umgebung können zu „Herzschwäche mit krankhafter Erweiterung des Herzmuskels“ (dilatative Kardiomyopathie) führen. Besonders wichtig sind dabei offenbar die Endothelzellen, die die Blutgefässe von innen auskleiden. Das beschreiben jetzt erstmals Wissenschaftler aus der Forschergruppe „Kardiovaskuläre Molekulargenetik“ unter Leitung von Prof. Dr. Ralph Knöll, Herzzentrum der Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität. Die mangelnde Zell-Verankerung und Zell- Kommunikation durch Defekte am Integrin-System führt zum Abbau der Endothelzellen. Bisher bekannte genetische Ursachen der häufigsten Form der Herzschwäche waren ausschliesslich Defekte innerhalb der Herzmuskelzellen, den „Kraftmaschinen“ des Herzens. Die Erkenntnisse öffnen ein neues Feld für Forschungen zur Behandlung von mehreren zehntausend Betroffenen allein in Deutschland. Die Ergebnisse erscheinen am 24. Juli 2007 in der Online-Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Circulation“ (www.circulationaha.org).

Etwa ein Drittel aller Fälle von dilatativer Herzschwäche ist erblich bedingt. Bisher gefundene Gendefekte betreffen Strukturen innerhalb der Herzmuskelzellen selbst. Die Göttinger Herzforscher haben nun erstmals Defekte in den Eiweissen Laminin-alpha-4 (LAMA4) und Integrin- Linked-Kinase (ILK) in Zusammenhang mit der Herzschwäche gebracht.
Beide Eiweisse sind an der Zell-Zell-Kommunikation und der Verankerung von Zellen in ihrer Umgebung beteiligt. Defekte in LAMA4 und ILK führen zum Untergang von Endothelzellen unter anderem im Herzen. „Die Defekte wirken sich offenbar vor allem auf das Herz aus“, erklärt Professor Knöll, Leiter der Forschergruppe Kardiovaskuläre Molekulargenetik: „Man kann sich das so vorstellen: Eine Herzmuskelzelle kann sich anstrengen, wie sie will. Wenn sie nicht richtig in ihre Umgebung eingebettet ist, kann ihre Kraft unmöglich in koordinierte Pumpleistung münden.“

Der Verdacht, dass Schäden an den Innenwänden der Blutgefässe Mitverursacher der dilatativen Herzmuskelschwäche sein könnten, kam Professor Knöll auf einem Kongress. Dort stellte Prof. Dr. Jeroen Bakkers aus Utrecht, Niederlande, mutierte Zebrafische vor, deren Haut sich wie Bläschen vom Körper ablöste. „Im Vortrag zeigte Bakkers ausserdem, dass sich bei den Tieren die innere Schicht der Blutgefässe, das Endothel, ablöst. Die Bilder erinnerten mich an Abbildungen aus den Blutgefässen verstorbener Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie. Ich dachte: Gibt es da vielleicht einen Zusammenhang?“

Als Ursache der Hautbläschen und Herzprobleme der kleinen Fische fand sich ein schwerer Defekt im Gen für die Integrin-Iinked Kinase (ILK).
In Göttingen untersuchte Professor Knöll mit seinem Team Blutproben von Patienten mit schwerer dilatativer Kardiomyopathie nach Defekten im ILK-Gen und einem funktionell verwandten Gen namens Laminin-alpha-4 (LAMA4). „Wir fanden zwei Mutationen in LAMA4 und eine im in ILK.
Funktionelle Untersuchungen zeigen, dass diese Mutationen tatsächlich zum Untergang von Endothelzellen und damit zu Herzschwäche führen können“, so Professor Knöll.

„Die Ergebnisse beweisen, wie wichtig es ist, über den Tellerrand der eigenen Forschung zu sehen“, sagt Professor Hasenfuss, Direktor der Abteilung Kardiologie und Pneumologie und Sprecher des Herzzentrums der Universitätsmedizin Göttingen: „Manchmal findet man die Antworten auf Forschungsfragen dort, wo man sie zunächst gar nicht sucht, etwa bei einem Fisch.“

Die dilatative Kardiomyopathie ist die häufigste Form der Herzschwäche. Der Herzmuskel der Betroffenen pumpt das Blut immer schwächer durch den Körper. Die Patienten sind schnell erschöpft.
Innere Organe wie Lunge oder Leber verlieren ihre Funktion. Im Endstadium gleicht das Herz einem schlaffen Sack. Die dilatative Kardiomyopathie ist häufiger Grund für Herztransplantationen.

WEITERE INFORMATIONEN
Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität Forschergruppe Kardiovaskuläre Molekulargenetik “ Herzzentrum Göttingen Prof. Dr. Ralph Knöll, Telefon 0551 / 39-5316 Robert-Koch-Strasse 40, 37075 Göttingen
E-Mail: rknoell@med.uni-goettingen.de

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