Hätten Sie das gedacht: Die Mehrheit aller tödlichen Herzinfarkte in Deutschland betrifft Frauen. Was sind die Ursachen? Was lässt sich dagegen tun? Es ist Zeit, Alarm zu schlagen. Obwohl der Herzinfarkt immer als typische Erkrankung der Männer, insbesondere der forschen Managertypen galt, sind inzwischen mehr als 130.000 Frauen jährlich vom Herzinfarkt betroffen. Und was noch schlimmer ist: Mehr als die Hälfte von ihnen (56 %) überleben den ersten Infarkt nicht. Damit ist die Überlebenschance von Frauen deutlich geringer als die von Männern.
Der wichtigste Grund hierfür ist: Frauen erfahren zu wenig über Risikofaktoren und Symptome, über Herzschutz im Alltag und herzgerechte Ernährung. Das soll sich jetzt ändern. Denn die Veränderung des Lebensstils kann mehr Leben retten als alle Herz- und Kreislaufmedikamente zusammen.
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Frauen brauchen andere Informationen als Männer
Den Herren der Schöpfung wird seit 30 Jahren erfolgreich ins Gewissen geredet, ihre Risikofaktoren für Herzinfarkt zu verringern. Mit gutem Ergebnis: Seit 1985 ist die Zahl der Infarkte bei Männern um 25 % zurückgegangen. Bei Frauen ist sie dagegen fast gleich geblieben. Aber die Zunahme der Herzinfarkt- und Sterberate bei Frauen ist nicht nur auf die fehlende Information dieser Zielgruppe zurückzuführen. Es gibt auch verschiedene Risikofaktoren, die bei Frauen erheblich schwerer wiegen als bei Männern.
• Frauen, die rauchen und gleichzeitig die Anti-Baby-Pille nehmen, haben ein 20 Mal höheres Infarktrisiko als Nichtraucherinnen – das wissen vor allem jüngere Frauen kaum.
• Berufstätige Frauen sind durch ihre Doppelrolle in Beruf und Familie einer viel höheren Stressbelastung als Männer ausgesetzt.
– Bei Frauen erhöht sich das Risiko bei erhöhten Triglyzeriden etwa doppelt so stark wie bei Männern. Auch niedrige Werte des „guten Cholesterins HDL“ wirken sich bei ihnen negativer aus.
– Diabetikerinnen sind sechsmal stärker als gesunde Frauen durch Herzinfarkt bedroht – und damit doppelt so sehr wie Männer.
– Frauen werden nach erlittenem Herzinfarkt durchschnittlich 30 Minuten später in ein Krankenhaus gebracht als Männer. Dabei kommt es beim Infarkt auf jede Minute an! Daher sterben auch mehr Frauen als Männer mit Herzinfarkt vor dem Erreichen des Krankenhauses.
– Inzwischen bezeichnen Ärzte das Zusammentreffen der Risikofaktoren Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörung bei Frauen als „tödliches Quartett“.
Allerdings lassen sich die meisten der gravierenden Risikofaktoren bei Frauen durch Umstellung der Lebensweise entscheidend beeinflussen. „95 Prozent aller Herzinfarkte, die Frauen in Westeuropa betreffen, wären durch einen herzgesunden Lebensstil vermeidbar“, erklärt der Herzspezialist Prof. Alois Sellmayer von der Universitätsklinik München. Eine fettärmere, an Gemüse, Salat, Obst und Vollkornprodukten reichere Ernährung, regelmäßige körperliche Bewegung, Abbau von Übergewicht und der Abschied vom Zigarettenrauchen sind die Hauptpunkte bei dieser Präventionsmaßnahme.
Frauen leiden anders
Wenn Frauen mit Herzinfarkt durchschnittlich erst nach 150 Minuten und damit 30 Minuten später als die Männer in die Klinik kommen, liegt das auch daran, dass der Infarkt bei Frauen andere Beschwerden als bei Männern verursacht. „Bei nahezu jeder zweiten Frau treten die klassischen Infarktbeschwerden wie Engegefühl in der Brust und ausstrahlende Schmerzen in den linken Arm überhaupt nicht auf“, erklärt die Kardiologin Prof. Verena Stangl von der Charité in Berlin. Zusätzlich zu den allgemeinen Symptomen wie Angstzustände und Schmerzen, die in die Zähne oder die Kiefer ausstrahlen, gibt es Anzeichen, die überwiegend nur bei Frauen auftreten: Als typisch weiblichen Komplex von Symptomen nennt Prof. Stangl Kurzatmigkeit (in 42 % der Fälle), ungewöhnliche Müdigkeit (70 %), Schlafstörungen (48 %), Übelkeit und Erbrechen (40 %) sowie Schmerzen in Nacken und Hals (16 %). Wenn Frauen über diese Anzeichen besser Bescheid wüssten, vermuteten sie im Notfall auch eher einen Herzinfarkt und rufen den Rettungsarzt. Denn jede Minute kann dann über Leben und Tod entscheiden. Leider erkennen auch viele Ärzte diese Symptome nicht als Anzeichen eines Infarkts – Fortbildung ist daher dringend notwendig.
So vermeiden Sie den Herzinfarkt
– Um 50 % kann laut Prof. Sellmayer das Risiko verringert werden, wenn das Rauchen aufgegeben wird.
– Um 36 % sinkt das Risiko, wenn die Ernährungsweise „herzgesund“ umgestellt wird: Mehr als 400 g Obst und Gemüse pro Tag, viele Vollkornprodukte und Nüsse, nur mageres Fleisch, zweimal wöchentlich fetter Fisch, moderater Alkoholkonsum, wenig gesättigte Fettsäuren und möglichst geringe Kochsalzzufuhr (weniger als 6 Gramm pro Tag).
– Verschaffen Sie sich regelmäßig Bewegung durch Sport (drei- bis viermal pro Woche zwischen 20 und 40 Minuten). Auch täglich 30 Minuten schnelles Gehen hat einen vorbeugenden Effekt.
– Runter mit dem Übergewicht! Der Taillenumfang sollte unter 88 liegen – am besten bei 80.
– Achten Sie auf Ihren Blutdruck! Er sollte deutlich unter 140/90 mmHg liegen
– Die Blutfettwerte sollten normalisiert werden: Das LDL-Cholesterin unter 130, das HDL über 45, die Triglyzeride unter 200 mg/dl.
– Die Stressbelastung in Beruf und Familie nach Möglichkeit verringern.