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Erste klinische Erfahrungen mit dem Retina-Implantat

Vor einem Jahr implantierten Augenärzte in Tübingen erstmals zwei erblindeten Patienten einen aktiven elektronischen Chip unter die Netzhaut. Sie wollten prüfen, ob es gelingt, mit Hilfe des Chips einen Teil des Sehvermögens der Patienten wiederherzustellen. Die ersten Ergebnisse und Erfahrungen mit dieser Technologie präsentieren die Experten nun auf der 104. Jahrestagung der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG), die am 24. September in Berlin zu Ende geht.

Mehr als zehn Jahre Forschung und Entwicklung stecken in jenem nur drei Millimeter und einem Zehntel Millimeter dünnen Impantat, das erblindeten Menschen wenigstens einen Teil ihres Sehvermögens wieder zurückgeben soll. Prinzipiell möglich ist dies, wenn zwar die Fotorezeptoren in der Netzhaut zerstört, die Nervenzellen der inneren Netzhaut aber noch intakt sind. Dies ist etwa bei der Retinitis pigmentosa der Fall, einem erblichen Augenleiden, das im Laufe des Lebens zur Erblindung führt.

Im Oktober 2005 hatte ein Team von Augenärzten aus Regensburg und Tübingen an der Universitätsaugenklinik Tübingen im Rahmen einer Pilotstudie zwei Patienten erstmals ein sogenanntes „Retina-Implantat“ unter die Netzhaut (Retina) eingepflanzt. Die winzigen Fotosensoren auf diesem Chip* übernehmen quasi die Funktion der zerstörten Fotorezeptoren (Stäbchen und Zapfen) in der Netzhaut der Patienten. Die elektronischen Sensoren reagieren auf Lichtimpulse, wandeln diese in elektrische Reizströme um, verstärken diese und stimulieren damit die Nervenzellen in der Netzhaut. Diese senden darauf hin Signale über den Sehnerv in das Gehirn.

Wie Professor Eberhart Zrenner auf der 104. Tagung der DOG in Berlin berichtet, sind die Patienten durch Reizung von Elektrodenfeldern mit unterschiedlichen Mustern in der Lage, beispielsweise die Grösse von Objekten zu erkennen; sie können horizontale von vertikalen Linien unterscheiden und die Bewegungen eines Punktes verfolgen und korrekt beschreiben.

Auch der Chip hat Grenzen.

„Wir haben aber auch gelernt“, sagt Zrenner, „dass die Reizung mit Elektrodenfeldern dann an eine Grenze kommt, wenn die Netzhauterkrankung schon zu lange, also 30 Jahre, besteht. Ist die Netzhaut nach so langer Zeit nicht mehr erregbar, dann helfen auch ein funktionierender Chip und die perfekte Operation nicht mehr.“

Wie PD Dr. Helmut G. Sachs von der Universitätsaugenklinik in Regensburg auf der Tagung berichtet, konnten die Implantate mit dem speziell für diesen Zweck entwickelten Operationsverfahren erfolgreich und sicher implantiert werden. Zufrieden mit den Operationsergebnissen ist auch Professor Zrenner: „Es hat bei allen Patienten hervorragend geklappt, es gibt keine Schmerzen, es gibt keine Netzhautablösungen, keine Entzündungen.“ Auch die Patienten bezeichnen die Implantation als „wichtige Lebenserfahrung, die sie nicht missen mögen“.

Nach dieser Pilotstudie, in deren Rahmen noch weitere Patienten operiert werden muss die neue Technik sich nun im Langzeiteinsatz bewähren. „Wir wissen vom Chochlear-Implantat und von Herzschrittmachern, dass der Langzeiteinsatz prinzipiell möglich ist“, stellt Zrenner fest. Gleichwohl sei der Einsatz am Auge „eine neue Dimension“.

Auch technisch geht die Entwicklung noch weiter. Zrenner: „Die generelle Machbarkeit einer solchen Behandlung haben wir gezeigt, das Grundprinzip steht nicht mehr in Frage, doch wir arbeiten natürlich noch an Verbesserungsmöglichkeiten.“ In zwei bis drei Jahren, davon ist der Tübinger Experte überzeugt, werde man das System zur breiteren Anwendungsreife weiterentwickelt haben.

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