Menschen erleben Dinge oft anders als erwartet, weil die Erwartung von Erlebnissen meist auf Vergleichen basiert: Ein Familienfest wird im Vergleich zu einem Urlaub auf den Bermudas als eher langweilig eingestuft, verspricht jedoch eine spannende Alternative zu einem Arbeitstag im Büro zu sein. Beim eigentlichen Erlebnis selbst ist die Aufmerksamkeit meist aber gefesselt und es bleibt keine Zeit für solche Vergleiche, weshalb die Erfahrungen unbeeinflusst gemacht werden. Daniel Gilbert von der Harvard-Universität in Cambridge und seine Kollegen vermuten deshalb, dass der Hauptgrund für falsche Erwartungen die unbewusste Annahme ist, während der eigentlichen Erfahrung Vergleiche anstellen zu können.
Belegen kann der Forscher seine Theorie mit einem Versuch mit sechzig Studenten. Der einen Hälfte setzte der Forscher ein Tablett mit einer Tüte Chips und einem Stück Schokolade vor, bei der anderen Hälfte vertauschte Gilbert die Schokolade mit einer Portion Sardinen. Die Probanden sollten nun vorhersagen, wie sehr sie die Chips geniessen würden. War die Alternative die begehrenswerte Schokolade, waren die Erwartungen des Genusses gering, bei den Sardinen hingegen kündigten die Studenten an, die Chips mit viel Wohlbehagen zu essen. Beim eigentlichen Akt des Essens war der Genuss allerdings bei beiden Gruppen gleich.
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In einem zweiten Versuch drosselte Gilbert deshalb die Geschwindigkeit des Konsums auf ein Stück Chips alle 45 Sekunden. Auf diese Weise gab er den Probanden genügend Zeit zum Nachdenken und zum mentalen Vergleich mit der angebotenen Alternative. Tatsächlich genossen die Studenten die Chips anders als zuvor: Mehr, wenn sie die Sardinen und weniger, wenn sie in der gleichen Zeit die Schokolade vor Augen hatten. „Ein sehr träges Familienfest“, so der Forscher, „kann also wirklich eine schlimmere Erfahrung sein, wenn die Alternative ein Urlaub wäre und eine bessere, wenn wir sonst im Büro sitzen müssten.“
Daniel Gilbert (Harvard-Universität, Cambridge) et al.: Beitrag auf dem Jahrestreffen der AAAS