Spezielle Atemtechniken können Seekrankheit verhindern oder zumindest ihre Symptome lindern. Das hat ein britisch-französisches Forscherteam in Versuchen mit Freiwilligen herausgefunden. Wer auf ungewohnte Bewegungen mit Übelkeit, Erbrechen, Schwindel oder Kopfschmerzen reagiert, sollte demnach versuchen, genau entgegen dem intuitiven Atemrhythmus ein- und auszuatmen. In Versuchen in einem Flugsimulator neigten Freiwillige nämlich dazu, während der Rückwärtsbewegungen ein- und während der Vorwärtsbewegungen auszuatmen. Um körperlichen Beschwerden entgegenzuwirken, muss der Atemrhythmus jedoch genau umgekehrt sein. Wer zusätzlich ein wenig schneller oder langsamer atmet, als es der Bewegungsrhythmus vorgibt, kann die Symptome noch weiter lindern, berichten die Wissenschaftler.
Es passiert beim Busfahren oder beim Fliegen, vor allem aber auf Seereisen: Die ungewohnten Bewegungen machen vielen Reisenden zu schaffen. Der Grund für Schwindel, Übelkeit und andere Symptome war bereits bekannt, er liegt in der Vielzahl menschlicher Gleichgewichtsorgane. Diese Rezeptoren sind dafür zuständig, Beschleunigungen wahrzunehmen und die Lage des Menschen im Raum zu bestimmen. Das bekannteste Gleichgewichtsorgan sitzt im Innenohr und registriert, wo sich der Kopf befindet. Damit das Gehirn aber auch zwischen einem vornübergebeugten Kopf und einem Kopfstand unterscheiden kann, gibt es noch weitere Gleichgewichtsrezeptoren. Diese sitzen unter anderem in den Muskeln und Sehnen, in winzigen Blutgefäßen sowie im Bauch und in tiefer liegenden Organen. Da jedoch beispielsweise der Bauch weiter vom Gehirn entfernt ist als das Innenohr, kommen die Signale dort zeitverzögert an, wodurch sie den Innenohrsignalen bisweilen widersprechen: Die Folgen sind Übelkeit und Schwindel.
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Da die meisten Menschen ihren Atemrhythmus intuitiv an den Bewegungsrhythmus anpassen, gingen die Forscher nun der Frage nach, ob spezielle Atemtechniken die Beschwerden verringern können. Sie ließen 26 Freiwillige in einen Flugsimulator einsteigen, der die Probanden abwechselnd nach vorne und hinten kippte. Auf Anweisung der Wissenschaftler atmeten die Versuchspersonen zunächst intuitiv ein und aus, anschließend testeten sie verschiedene von den Forschern vorgegebene Atemtechniken. Michael Gresty und seine Kollegen maßen jeweils mit einer Stoppuhr, wie lange es dauerte, bis den Probanden schlecht wurde.
Das Ergebnis: Als besonders ungünstig erwies sich der intuitiv gewählte Atemrhythmus. Dabei atmeten die Freiwilligen immer dann ein, wenn sie nach hinten unten kippten, und bei der Vor- und Abwärtsbewegung aus. Der umgekehrte Atemrhythmus hingegen zögerte die Übelkeit deutlich hinaus und linderte sogar bestehende Beschwerden. Nach Ansicht der Forscher hat das einen einfachen Grund: Beim Einatmen heben sich der Bauch und die Organe leicht nach oben, während sie beim Ausatmen absinken. Wer nun beispielsweise in einem Wellental ausatmet, verschärft also die Botschaft „es geht abwärts“ noch zusätzlich. Der umgekehrte Atemrhythmus schwächt den Reiz entsprechend ab. Im Versuch wurden die Ergebnisse noch besser, wenn die Probanden zusätzlich leicht zeitversetzt atmeten. Dadurch nimmt nach Ansicht der Wissenschaftler die zeitliche Diskrepanz zwischen den Signalen des Innenohrs und den Signalen des Bauchs ab.
Science, Onlinedienst